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Exkursion zur Brühlwegdüne


Der Konzeption kommt der Klimawandel in die Quere

Exkursion zum Entwicklungsnaturschutzgebiet Brühlwegdüne – Teilnehmende hatten viele Fragen

Sandhausen. „Sandhausen ist bedeutsam für seine Sandlebensräume“, betont Jost Armbruster. Im Naturschutzreferat des Regierungspräsidiums ist der Biologe auch für das umstrittene Sonderprojekt Brühlwegdüne zuständig.

Bei einer öffentlichen Exkursion freut er sich über zahlreiche Interessierte, darunter örtliche Umweltschützer und Exkursion Brühlwegdüne SandhausenBürgermeister Hakan Günes.

Armbruster geht kurz auf die Entstehung des Projekts ein, die dem Umstand geschuldet ist, dass sich die Sandhausener dem vor 35 Jahre beschlossenen Rückbau eines Teils der L 600 widersetzt hatten. Das alternative Ausgleichskonzept für den Bau der Umgehungsstraße B535 umfasst das erste und bisher einzige Entwicklungsnaturschutzgebiet in Baden-Württemberg. In Oftersheim gebe es eine ähnliche Vereinbarung mit dem Land als Ausgleich für den Golfplatz.

In der Nacheiszeit habe der Westwind Sand vom Rheinufer zu sichelförmigen Dünen aufgehäuft, wie an der Küste. „Die höchste Erhebung der badischen Binnendünen, der Feldherrnhügel, findet sich in Oftersheim – und das hier sind die Ausläufer“, so der Biologe.

Es sind nährstoffarme, lichte und trocken-warme Lebensräume für Spezialisten, die an anderer Stelle von Sand-Silberscharte und SchachbrettGeneralisten verdrängt würden, erläutert er. Die Arten haben Anpassungsstrategien entwickelt, wie besonders lange Wurzeln oder behaarte Blätter, welche die Verdunstung verringern. Gerade kalkhaltiger Sand zeichne die Standorte in Sandhausen und Oftersheim als wertvollen Lebensraum für seltene Arten aus.

Auf der bewaldeten Brühwegdüne müssen diese Bedingungen jedoch erst mühsam geschaffen werden. In der Testphase wurden in zwei Tranchen insgesamt 2,8 Hektar Bäume mitsamt den Wurzeln entfernt, die Bäume waren aufgrund der Trockenphasen bereits geschädigt. Der nährstoffreiche Waldboden darunter wurde in benachbarte Waldstücke verfrachtet. Schrittweise sollen in den nächsten zwanzig Jahren auf insgesamt 32 Hektar gemeindeeigener Fläche lichte Kiefernwälder und Sandrasen entwickelt werden.

Bis dahin ist noch Einiges zu tun. Seit vier Jahren weiden Ziegen und Schafe wochenweise im gesamten Nordteil des Schutzgebietes und bekämpfen unerwünschten Aufwuchs. Ziel ist, den Boden so weit auszumagern, dass sich wie in den bestehenden Naturschutzgebieten ein stabiler Sandrasen einstellt. Eingezäunt wurden kleinere Dünen Sandlaufkäfer SandhausenVergleichsflächen, auf denen nicht eingegriffen wird.

Die erste Fläche wurde Anfang 2021 in der Nähe der Pferdstriebdüne aufgelichtet, damit Insekten von dort einwandern können. Mit Mähgut von diesem Naturschutzgebiet wurden auch Pflanzensamen verbreitet, die sich zu typischen Dünenpflanzen entwickelt haben.

Ziel des Naturschutzes sei, das Potenzial auszuschöpfen, sagt Armbruster. Zugleich macht er deutlich: „Man hat vor zehn Jahren noch nicht abgesehen, dass im Hardtwald – und insbesondere auf diesen hohen Rücken, wo es besonders trocken ist – Bäume in so großer Zahl absterben.“ Abweichend vom ursprünglich schematischen Plan werden mit dem Forst die Waldflächen ausgewählt, die schon stark geschädigt sind, betont er. Vitale Bäume, wie die Buchen am Brühlweg, sollen geschont werden.

Über einen Weidezaun führt der Weg auf eine Lichtung. Diese Fläche wurde erst im vergangenen Jahr bearbeitet. Dünen-Sandlaufkäfer und Blauflügelige Ödlandschrecke sind schon da, bei den Pflanzen wird nachgeholfen. „Wir haben heute mit dem Pflegetrupp die Konkurrenz rausgerupft, vor allem Brombeeren und Kermesbeeren, und haben Samen von der Pferdstriebdüne Nord verteilt“, berichtet der Biologe.

Als Herausforderung für das Projekt gilt besonders die Ausbreitung der lichtliebenden Kermesbeere. Da sie für Weidetiere giftig ist, muss sie zuvor unter hohen Kosten entfernt werden.

„Die Ziegen wissen, dass sie den Sandrasen nicht anknabbern dürfen?“, fragt eine Teilnehmerin kritisch nach. Armbruster räumt ein: „Die Beweidung klappt nicht immer so gut, denn die wenigsten Beweider haben promovierte Biologen in ihren Reihen, die den Schafen und Ziegen sagen: Friss aber bitte nicht die Sand-Silberscharte.“

Dass im Namen des Naturschutzes Wald gefällt wird, während der Forst anderswo mühsam aufforstet, könne in Sandhausen kaum jemand verstehen, bemerkt eine örtliche Naturschützerin.

Da es auch Sandrasenarten im Klimawandel nicht zu hitzig mögen, wurden auf der zweiten Fläche mehr Bäume stehen gelassen, bestätigt Armbruster. Die Anwürfe kennt er: „Der SV Sandhausen darf für seine Jugend keine Bäume fällen, aber der Naturschutz fällt sie für Sandrasen.“

Im Vergleich zur sonstigen Schwetzinger Hardt, wo der Forst großzügig einschlage, werde hier bisher eher wenig gefällt, ergänzt Peter Weiser, der sich im ehrenamtlichen Naturschutzdienst für die Sandhäuser Schutzgebiete engagiert. Diese gerieten durch die nahe Bebauung zunehmend unter Druck, daher sei eine Erweiterung wichtig. Auf der Fläche entdeckt er eine Fliegenspießwespe, eine wärmeliebende Grabwespenart, die zu den Klimagewinnern zählt.

Gefragt wurde auch nach den geschädigten alten Eichen am Waldrand. Gemeinsam mit dem Forst wähle das Pflegemanagement sorgfältig Habitatbäume mit Spechtlöchern aus und ebenso Bäume, die eine Zukunft haben, berichtet Armbruster. Die gewünschte parkähnliche Landschaft zu erreichen, sei aber nicht einfach, denn, so Armbruster: „Wenn man aus dem Kiefernstangenholz die Hälfte rausnimmt, bekommt die andere Hälfte Sonnenbrand und stirbt ab.“

Redakteur / Urheber
Sabine Hebbelmann